Genomic Architecture, Darwin und Goethe
Das vorliegende Buch ‚The Organic Approach to Architecture’ entstand aus einem Symposion am Pratt Institute School of Architecture in New York. Beim ersten Durchblättern stößt man auf bekannte Namen: Kenneth Frampton und Thomas Hanrahan (The Un-Private House, New York 1999). Die Herausgeberinnen Deborah Gans und Zehra Kuz nähern sich dem interessanten Thema auf unterschiedliche Weise.
Die Absicht des Buches ist relativ weit und eher unscharf gefasst. Gans und Kuz versuchen aktuelle Probleme der Architektur in Hinblick auf ihre verschiedenen Umgebungen (environment) zu benennen. Sie unterscheiden dabei Beziehungen zum ‚natural enviroment’, der ‚megalopolis and its concomitant sprawl’ und zum ‚virtual environment’. Das Ergebnis ist eine eher lockere Zusammenstellung von Symposionsbeiträgen zu Kunst- und Architekturtheorie, Projektdokumentationen, Statements der Herausgeberinnen und Panel Discussions.
Gans versucht sich am Begriff des ‚Organischen’ (organic) und arbeitet einige interessante Verflechtungen aus. Verflechtungen zur ‚Dynamischen Form’, zur Morphogenese, der ewig veränderlichen Gebäudefunktion, zum Futurismus, zur Demokratie und zum Ereignis (event). Von Hegel ist die Rede, von Darwin und von Goethes Fisch. Zehra Kuz formuliert anschließend einige funktionalistische Aspekte des ‚Organischen’; Hugo Häring, Frei Otto, das ‚Formfinden’ in der Architektur gegenüber dem ‚Formwollen’. Relativ offen gliedert sich das Buch danach in drei Abschnitte, wovon jeder mit einer ‚Panel Discussion’ beendet wird.
In ‚Evolution and lines of descent’ präsentiert Behnisch sein Werk, Zehra Kuz fragt nach der ‚Physiognomie der neuen Architektur’ und zeigt Scharoun. Eeva Pelkonen referiert zu ‚Alvar Aaltos Approach to Organicism’ und Ahmet Omurtag fragt: ‚Was ist ein Organismus ?’
‚Transformations’ zeigt Gienckes gläsernes Gewächshaus in Graz, einen sehr interessanten Beitrag zu ‚Organicism’ und zur ‚Liquid Villa’ von William Katavolos, neben Beiträgen von John Johansen und Tim Brigham eine interessante Perspektive zur ‚Genomic Architecture’ von Haresh Lalvani, ‚Lightness and Movement’ von Todd Dalland und dem ‚Environmental Flow’ von Mahadev Raman.
In ‚Organ-i-city’ sucht John Johansen nach ‚Organic Contexts’, textlastig präsentiert Kanneth Frampton die ‚Organic Organ-i-city’.
Deborah Gans ist Professorin am Pratt Institute School of Architecture in New York und Partnerin im Architekturbüro Gans & Jelacic. Die nun vorliegende Arbeit ist das bisher zweite Buch der Autorin, neben anderen Veröffentlichungen. (‚Table talk’ – a discussion of Michael Graves´ set for the ballet „Fire“ / Princeton Journal 1983; ‚Le Corbusier Guide / Le Corbusier – Guida completa’ / Princeton Architectural Press 2000)
Zehra Kuz ist Partnerin des Oasis Design Lab in New York und unterrichtet ebenfalls als Professorin am Pratt Institute School of Architecture.
Es ist ein Buch für alle Geisteswissenschafter und Interessierte, Architektur- und Kunsttheoretiker. Beeindruckend ist die umfassende Materialfülle, sind amorphe Computergraphiken und die Darstellung historischer und aktueller Projekte. Es entstehen interessante künstlerisch-philosophische Assoziationen, aber kein klares Bild des konkreten Problems, geschweige denn einer Lösung.
Es ist allerdings ein Buch zum Nachdenken, offen für einen anregenden fachlichen Diskurs, der in einer wissenschaftlich enger gefassten Form weitere, interessante Ergebnisse bringen kann.
Wolfgang Höhl (2004): Genomic Architecture, Darwin und Goethe, Buchrezension – “The Organic Approach to Architecture” edited by Deborah Gans and Zehra Kuz, erschienen in: “De Architect” jaargang 35, März 2004, S. 77
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